Waffen im Aikido
Ursprung der waffenlosen Techniken
Warum sollen wir mit Waffen trainieren?
Das Waffentraining war stets ein fester und wichtiger Bestandteil O-Senseis täglicher Aikido Praxis. Die praktische Frage lautet als nicht ob, sondern wie viel am Tag trainiert werden soll bzw. wie hoch der Anteil der Trainingszeit für das Waffentraining (Bukiwaza) aufgewendet werden soll, was auf Kosten des waffenlosen Trainings (Taijutsu) geht.
Was ist Bukiwaza?
Im Aikido bezeichnet „Taijutsu“ die „Körpertechniken“, das heißt die Techniken ohne Waffen. „Bukiwaza“ hingegen bezeichnet das Training mit Waffen, also zum Beispiel dem Bokken (Holzschwert) oder dem Jo (Holzstab). Saito-Shihan hat das Bukiwaza in sechs Kategorien eingeteilt:
Tanren: Das Schmieden des Geistes durch Übungen wie Tanren-Uchi, also das wiederholte Schlagen gegen ein hartes Objekt mit dem Suburito. Ähnliche Übungen gibt es auch für den Jo.
Suburi: Einfache Bewegungen mit dem Ken (7 Ken-Suburi) oder dem Jo (20 Jo-Suburi).
Kata: Bewegungsabfolgen mit dem Jo (13-Schritt Jo-Kata oder 31-Schritt Jo-Kata).
Awase: Partnerübungen mit einfachen Bewegungen mit Ken oder Jo.
Kumi: Partnerübungen mit komplexen Bewegungen mit dem Ken (Kumitachi) oder dem Jo (Kumijo) oder beidem (Kentaijo).
Henka oder Riai: Variationen von den obigen Punkten und Zusammenhänge zwischen Bukiwaza und Taijutsu.
Verbesserter Stand
Aiki-Ken wird im Stand Hanmi geübt. Aiki-Jo basiert auf dem Stand Hitoemi. Diese beiden Arten zu Stehen sind Grundlage für unsere Aikido-Techniken. Die wiederholte Übung von Aiki-Ken und Aiki-Jo verstärkt den Stand und fordert den stabilen Stand ständig heraus. Ohne einen stabilen Stand funktionieren die Jo- oder Ken-Techniken nicht. Im Taijutsu fallen diese Fehler nicht so schnell auf.
Energiesteigerung
Der Gebrauch von Ken und Jo erfordert, dass unentwegt unsere Konzentration und unsere Energie (Ki) durch die Waffe ausgesendet werden. Entweder schlagen wir mit dem Ken nach unten oder wir stoßen den Jo vorwärts. Die fortwährende Mühe, mit der wir Energie aussenden, schult die gleiche Anwendung von Ki bei Techniken ohne Waffen.
Harmonisieren der Energien
Um Aiki-Ken und Aiki-Jo korrekt anzuwenden, müssen wir die Ausrichtung der Waffe relativ zu unserem Körperzentrum ständig überprüfen; ebenso die Ausrichtung unseres Zentrums zur Waffe und zum Zentrum unserer PartnerIn. Diese Art zu üben schärft uns das korrekte Gefühl für die Ausrichtung unseres Zentrums relativ zum Zentrum unserer PartnerIn ein und lehrt uns, die Verbindung zum Zentrum unserer PartnerIn zu halten. Langfristig können wir dieses Gefühl und diese Verbindung auf unser Taijutsu übertragen.
Körperkontrolle
Im Aikido halten wir den Ken und den Jo mit beiden Händen und vereinen so das Ki von beiden Seiten des Körpers und richten es auf unser Ziel. Die beiden Seiten des Körpers stützen einander und arbeiten zusammen, so dass das Gefühl von Einheit und Kreisförmigkeit von rechter und linker Seite erhalten bleibt, selbst wenn wir die Waffen nicht gebrauchen, wie im Taijutsu.
Aufmerksamkeit
Der Gebrauch harter Waffen erhöht die Verletzungsgefahr beim Training. Ein einfacher Fehler im Timing oder Winkel kann zu einer schweren Prellung führen. Das höhere Risiko sorgt dafür, dass die Schülerinnen und Schüler beim Training aufmerksamer sind. Diese Achtsamkeit lässt sich auf das Taijutsu übertragen.
Präzisionssteigerung
Wenn wir mit Ken oder Jo trainieren, dann betrachten wir die Waffen als Erweiterungen unseres Körpers, wodurch der Effekt unserer Hüftbewegungen besser sichtbar wird. Fehler und Ungenauigkeiten sind leichter zu erkennen und zu beheben. Da Fehler leichter zu korrigieren sind, können wir unsere Präzision verbessern.
Bukiwaza allein ist kein Aikido
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass es im japanischen Budo (den japanischen Kampfkünsten) verwandte Künste gibt, die sich mit dem Ken (z.B. Iaido) oder dem Jo (z.B. Jodo) befassen. Doch diese unterscheiden sich in verschiedener Hinsicht erheblich vom Aiki-Ken und Aiki-Jo. Es soll hier ausreichen darauf hinzuweisen, dass der wichtigste Unterschied darin besteht, dass die Waffen im Aiki-Ken und Aiki-Jo den Körper unterstützen sollen, wohingegen in den anderen Künsten die Waffe das Wichtigste ist, und die BenutzerIn der Waffe sich an die Waffe anpassen müssen, um die Effektivität ihrer Techniken zu maximieren. Aiki-Ken und Aiki-Jo wurden geschaffen, um das Taijutsu zu unterstützen; sie sind nicht als separate Künste gedacht. Daher sollten sie auch nicht mit anderen Systemen verglichen werden, die mit Schwert oder Stab üben.
Bukiwaza ist somit ein wichtiger Teil des Aikido-Trainings; es vervollständigt das Aikido-Taijutsu, ist für sich allein aber nicht Aikido. Bukiwaza dient dem Aikido, so wie das Üben von Suburi dem Kumitachi dient. Der Nutzen von Bukiwaza zeigt sich in der Qualität des Taijutsu. Bukiwaza an und für sich stellt allein keinen Wert dar; mit anderen Worten: durch das Üben von Aiki-Ken und Aiki-Jo werden wir nicht zu Experten im Umgang mit Schwert und Stab.
Ebenfalls muss klargestellt werden, dass eine Überbetonung von Bukiwaza dessen Nutzen entgegenstehen kann, hauptsächlich, weil uns beim Waffentraining der physische Kontakt zur/m PartnerIn fehlt. Wir trainieren auf der Matte, um von unsere/n PartnerIn eine Rückmeldung über unser eigenes Zentrum zu erhalten, sodass wir daraufhin feststellen können, wer wir sind. Dieses Feedback ist anfangs physisch und ist das Resultat der andauernden Interaktion der Körper auf der Matte. Das bedeutet, dass – wenn wir den körperlichen Kontakt durch die Waffen ersetzen – wir den Umfang und die Qualität dieser Rückmeldung vermindern.
Nur wer die Energie des eigenen Körpers vollends gemeistert hat, kann seine Lehren auch aus der Interaktion der Waffen ziehen, bei minimalem Taijutsu-Training.